Die Patientenverfügung als Vorsorgeverfügung
Jede medizinische Behandlung wird aus rechtlicher Sicht zunächst als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen gewertet. Erst die Einwilligung des Patienten in die medizinische Behandlung macht diese „rechtmäßig“.
Daher ist der Patient über Art und Risiken einer vorgeschlagenen/ geplanten Behandlung aufzuklären, so dass er eine eigenverantwortliche Entscheidung darüber treffen kann, sich behandeln zu lassen oder eine Behandlung abzulehnen.
Mit der Patientenverfügung kann der Patient in künftige medizinische Maßnahmen (Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen, sonstige ärztliche Eingriffe) vorausschauend einwilligen oder seine Einwilligung versagen, für den Fall, dass er in der konkreten Behandlungssituation gehindert ist, sich hierüber einen Willen zu bilden und diesen zu äußern.
Wesentliche Formalien der Patientenverfügung
Die Patientenverfügung ist schriftlich abzufassen (eigenhändige Unterschrift genügt).
Sie kann nur von einer volljährigen und einwilligungsfähigen Person errichtet werden.
Einwilligungsfähigkeit bedeutet, dass der Patient bei Abfassung der Patientenverfügung in der Lage sein muss, den Inhalt und die Tragweite seiner Erklärungen zu erkennen und seinen Willen hiernach zu richten.
Bindungswirkung der Patientenverfügung
Die (wirksame) Patientenverfügung hat Bindungswirkung für alle Beteiligten, d.h. wenn die Patientenverfügung für die konkrete Situation einen wirksam geäußerten Behandlungswillen erkennen lässt, sind Ärzte, Pflegepersonal, Bevollmächtigter/ Betreuer an diese gebunden und dürfen sich darüber nicht hinwegsetzen.
„Ich möchte nicht, dass das Gericht über mich bestimmt!“
Einer zusätzlichen betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedarf es nur dann,
- wenn gerade in der Vornahme der angezeigten medizinischen Maßnahme oder in deren Unterlassen die Gefahr liegt, dass der Patient bei deren Vornahme/ Unterlassen stirbt oder der Gefahr eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens ausgesetzt wird oder
- wenn sich Betreuer/ Bevollmächtigter und Arzt nicht einig in der Frage sind, ob die Patientenverfügung in der aktuellen Situation anwendbar ist und deswegen Uneinigkeit über die weitere medizinische Vorgehensweise besteht.
Wie konkret muss die Patientenverfügung gefasst sein?
Die in der Patientenverfügung erklärten Behandlungswünsche sind für eine aktuelle Behandlungssituation nur dann verbindlich, wenn sich die aktuelle Behandlungssituation und in der Patientenverfügung beschriebene Situation decken. Da die Patientenverfügung aber eine künftige, oft noch gar nicht absehbare Situation regeln soll, stellt sich die Frage, wie konkret Behandlungswünsche in einer Patientenverfügung zu fassen sind, damit es zur oben beschriebenen „Deckungsgleichheit“ kommt.
Der Bundesgerichtshof hat hierzu in seinem Urteil vom 6.07.2016 entschieden, dass allgemeine Richtlinien oder Wünsche des Betroffenen („würdevolles Sterben“) sowie auch Pauschalverbote („keine lebensverlängernden Maßnahmen“) nicht den notwendigen Inhalt einer Patientenverfügung erfüllen, wenngleich sie im Rahmen der Ermittlung des mutmaßlichen Behandlungswillens durchaus zu beachten sind.
Erforderlich, aber auch ausreichend, ist nach der Rechtsprechung des BGH „die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen und die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen, wenn der Betroffene damit umschreibend hinreichend genau festlegt, was er in dieser Situation will und was nicht, so dass sowohl die Situation, in der die Verfügung gelten soll, als auch die Zielvorstellungen des Patienten deutlich sind.“
Hier kommt es also auf eine sorgfältige Formulierung an. Vorformulierte Checklisten können, müssen hier aber nicht ausreichend sein.
Der mutmaßliche Behandlungswille
Decken sich Behandlungssituation und Inhalt der Patientenverfügung nicht, ist auf den „mutmaßlichen Behandlungswillen des Patienten abzustellen. Hierbei kann auf dessen Wertvorstellungen oder zuvor mündlich geäußerte Behandlungswünsche zurückgegriffen werden.
Auch schriftliche Äußerungen, die nach oben Gesagtem die inhaltlichen Anforderungen einer Patientenverfügung nicht erfüllen, sind hierfür heranzuziehen.
Im Zweifel: Schutz des Lebens des Betroffenen
Kann danach immer noch nicht festgestellt werden, dass der Wille des Patienten darauf gerichtet ist, eine ärztliche Maßnahme durchzuführen, nicht einzuleiten oder zu beenden, ist dem Schutz des Lebens des Betroffenen Vorrang einzuräumen.
Inhaltliche Grenzen der Patientenverfügung
Die Grenze des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen und damit der Wirksamkeit der in einer Patientenverfügung getroffenen Verfügung ist da gegeben, wo der geäußerte Patientenwunsch nicht mehr als straflose Sterbehilfe sondern als strafbare Tötung eines Patienten zu werten ist.
So ist ein Behandlungsabbruch (bei darauf gerichtetem Patientenwillen) dann gerechtfertigt, wenn er einem ohne Behandlung zum Tod führenden Krankheitsprozess seinen Lauf lässt. Keine Voraussetzung hierfür ist, dass der Sterbevorgang bereits eingesetzt hat.
Eine Heilbehandlung kann demnach auch dann abgelehnt werden, wenn sie eine zum Tode führende Krankheit besiegen oder den Eintritt des Todes weiter hinausschieben könnte.
Nicht eingewilligt werden kann hingegen in vorsätzlich lebensbeendende Handlungen, die nicht im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Betroffenen stehen.
Kombination mit anderen Vorsorgeverfügungen, Widerruf, Geltungsdauer
Die Patientenverfügung kann einzeln oder in Verbindung mit einer Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung erstellt werden. Sie ist für den einwilligungsfähigen Betroffenen jederzeit widerruflich und ist auch dann zu beachten, wenn zwischen ihrer Errichtung und der Behandlungssituation, in welcher auf sie zurückgegriffen werden soll, einige Zeit verstrichen ist. Zu regelmäßigen Aktualisierungen der Patientenverfügung ist der Betroffene nicht verpflichtet.