Um Steuerfreibeträge voll ausnutzen zu können, kann die lebzeitige Weitergabe von Vermögenswerten sich empfehlen. Interessante Rechtsprechung dazu gab es kürzlich vom Finanzgericht Hamburg. Das urteil, die rechtlichen Erwägungen und daraus resultierende Handlungsmöglichkeiten möchte ich nachfolgend darstellen.
Finanzgericht Hamburg, Urt. vom 20.08.2019
Gemäß § 16 ErbStG (Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz) liegt der Freibetrag von Kindern gegenüber ihren Eltern bei 400.000 €, der Freibetrag von Enkelkindern gegenüber ihren Großeltern bei 200.000 €.
Diese Sachlage führte zu einem gerichtlichen Verfahren, welches das Finanzgericht Hamburg mit Urteil vom 20.8.2019 zu Aktenzeichen 3 K 123/18 wie nachfolgend dargestellt entschieden hatte:
Leitsätze:
- Überträgt ein Großelternteil ein Grundstück schenkweise auf ein Kind und schenkt das bedachte Kind unmittelbar im Anschluss an die ausgeführte Schenkung einen Grundstücksteil an das Enkelkind weiter, ohne zur Weiterschenkung verpflichtet zu sein, liegt schenkungssteuerrechtlich keine Zuwendung des Großelternteils an das Enkelkind vor.
- Dass die Weiterübertragung in einem gemeinschaftlichen Testament der Großeltern vorgesehen ist, reicht für sich nicht aus, um eine Zuwendung des Großelternteils an das Enkelkind zu begründen.
Was bedeutet dies und wie ist der Ablauf zu steuern?
Die Bedeutung des Urteils liegt darin, das für das Enkelkind, welches über einen Elternteil Vermögenswerte der Großeltern erhält, nicht der geringere Steuerfreibetrag gegenüber den Großeltern, sondern der höhere Steuerfreibetrag gegenüber seinen Eltern gilt, so dass, je nach Wert des übertragenen Vermögenswertes, weniger oder gar keine Steuern anfallen.
Das Enkelkind hatte sich im vorliegenden Fall gegen die Steuerfestsetzung nach seinen Großeltern gewandt. Das Finanzgericht gab dem Enkelkind recht.
Eine steuerbare Schenkung gem. § 7 Abs.1 Nr 1 ErbStG der Großeltern an das Enkelkind liegt nach Ansicht des Finanzgerichts in dieser Konstellation nicht vor.
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7 Abs.1 Nr.1 ErbStG, Voraussetzungen:
Voraussetzung für eine sogenannte freigebige Zuwendung nach § 7 Abs.1 Nr 1 ErbStG ist objektiv die Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden und verlangt in subjektiver Hinsicht den Willen des Zuwendenden zur Freigiebigkeit.
Weiter setzt § 7 Abs.1 Nr 1 ErbStG voraus, dass der Bedachte durch die Zuwendung auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.
Rein zivilrechtliche Betrachtungsweise:
Ob im Sinne dieser Vorschrift eine Bereicherung des Empfängers vorliegt und wer Zuwendender bzw Bedachter ist, bestimmt sich nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ausschließlich nach dem Zivilrecht.
Wird das empfangene Objekt vom Bedachten (hier also vom Elternteil des Enkelkindes) weitergegeben, kommt es darauf an, ob der Bedachte eine eigene Entscheidungsbefugnis über die Verwendung des Schenkungsobjekts hat (ebenfalls Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs)
Besteht eine Verpflichtung zur Weitergabe, liegt schenkungssteuerrechtlich nur eine Zuwendung vom Zuwendenden an den Dritten ohne Bereicherung der dazwischen geschalteten Person vor.
Dies würde im hier vorliegenden Fall bedeuten, dass das Enkelkind direkt von seinen Großeltern bedacht wurde, mit der Folge des geringeren Steuerfreibetrages.
Wichtig: Keine Verpflichtung zur Weitergabe!
Gibt der zunächst Bedachte jedoch das Schenkungsobjekt, ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein, freigiebig einem Dritten weiter, liegt keine Schenkung des Zuwendenden an den Dritten vor, sondern eine Schenkung des Zuwendenden zunächst an den ursprünglich Bedachten und im zweiten Schritt eine Schenkung von diesem an den Dritten.
Ob der „Mittelsmann“ entsprechend den oben genannten Kriterien frei über das Schenkungsobjekt verfügen kann oder verpflichtet ist, es weiterzureichen, ist eine Frage des Einzelfalls.
Für die Annahme einer Weitergabeverpflichtung reicht das bloße Einverständnis des Zuwendenden mit der Weiterreichung des Zuwendungsobjekts nicht aus.
Nur wenn im ersten Schenkungsvertrag eine Weiterschenkung an den Dritten vereinbart ist, fehlt die freie Verfügungsbefugnis des zunächst Bedachten.
Im hier zu entscheidenden Fall ergab der Schenkungsvertrag zwischen den Großeltern und ihrem Kind keine entsprechende Verpflichtung. Die Großeltern hatten zwar in ihrem zuvor errichteten Testament verfügt, dass das Enkelkind vermächtnisweise einen Teil der auf T übertragenen Immobilien erhalten solle. Doch dies führt nicht zu einer entsprechenden Verpflichtung des zunächst bedachten Kindes zur Weitergabe an das Enkelkind, da das im Testament ausgesetzte Vermächtnis zugunsten des Enkelkinds erst mit dem Erbfall entsteht und kein Anwartschaftsrecht des Vermächtnisnehmers begründet, da es jederzeit widerrufen werden kann.
Zusammenfassung:
Steueroptimierte Schenkung und Weiterschenkung in 2 zeitlich unmittelbar aufeinander folgenden notariellen Urkunden ist möglich,
- wenn beide Schenkungen nicht in einer einzigen Urkunde zusammen gefasst werden,
- wenn der Grundbesitz nicht sofort an den Drittbegünstigten, hier das Enkelkind, aufgelassen wird und
- wenn jede Verpflichtung zur Weiterschenkung in der ersten Schenkungsurkunde vermieden wird.
Unser Angebot an Sie:
Wegen lebzeitiger Übertragungen von Vermögenswerten auf die nachfolgenden Generationen, Testamentsgestaltungen und möglicher Steueroptimierungen beraten wir sie gerne, veranlassen entsprechende Beurkundungstermine und stehen in engem Kontakt mit Steuerberatern oder besprechen die Angelegenheit auch gerne mit Ihrem eigenen Steuerberater. So sind sie in der Lage, rundum versorgt und beraten, Ihren Nachlass zu planen und zu steuern.
Mit freundlichen, heute sonntäglichen, Grüßen aus Salem
Martina Spintig, RAin, und Team